Wegepflege Lehrgang des DAV

Text Philippe Bolley Bild David Schultheiß, Verena Stitzinger
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Gemeinsam viel erreichen

Wer hält die von Bikern und Wanderern gemeinsam genutzten Wege in den Alpen in Schuss – und worauf kommt es dabei an? World of mtb Leser Philippe hat beim Lehrgang Wegepflege des DAV Bundeslehrteam Mountainbike mitangepackt.

 
 

[17.7. 8:30 Uhr – Weil am Rhein, Grenze CH-DE]

„Was tue ich hier eigentlich?“, frage ich mich, während ich am Steuer meines Autos sitze. Eigentlich habe ich heute frei – und was fange ich mit dem Tag an? Fahre zum Lernen und Schuften in die Berge! Doch dafür gibt es einen guten Grund: Das World of MTB Magazin hatte gemeinsam mit dem Deutscher Alpenverein e.V. (DAV) über Facebook einen Platz beim Lehrgang Wegepflege des Bundeslehrteams Mountainbike verlost. Ich hatte mich beworben. Warum? Ich glaube, weil ich selbst Mountainbiker bin und mich Lösungsansätze für das Spannungsfeld Wegenutzung interessieren. Beim Thema Wege, Wanderer und Biker sind Diskussionen vorprogrammiert. Egal wo – auf der Hütte, im Wald oder in den Bergen. Vielleicht bringt der Lehrgang neue Erkenntnisse und Argumente. Die Zusage für die Teilnahme in der Tasche, bin ich jetzt auf dem Weg nach Ischgl. Ischgl ist der Talort zur Heidelberger Hütte – und die Hütte unser Stützpunkt für die nächsten beiden Tage.

[15h – Parkplatz Silvrettabahn, Ischgl]

Am Parkplatz der Silvrettabahn treffen sich alle Teilnehmer. Gleich geht’s los. Meine Hoffnung, dass wir die Bergbahn bis zur Mittelstation nehmen, stirbt mit der lächelnden Erklärung unserer Kursleiterin Verena Stitzinger, dass es ja gar nicht so schlimm sei. „Nur das erste Stück ist steil!“ Dahinter wird’s besser, ich weiß. „Es ist halt ein ganz typisches, hängendes Seitental. Vorne steil und nach hinten raus dann eine wunderschöne Hochebene.“ Unterwegs bleibt ausreichend Zeit, auf ein erstes Kennenlernen anzustoßen. Wir sind eine bunte Gruppe von größtenteils Mountainbikern – immerhin haben wir schon einen Wegewart des DAV dabei. Jörg Riedle von der Sektion Landsberg/Lech hat „extra für uns“ sein Mountainbike mitgenommen.

[17 Uhr – Heidelberger Hütte]

Bevor wir uns zu einer kurzen „offiziellen“ Kennenlern Runde im Seminarraum zusammenfinden, stärken wir uns noch mit Apfelstrudel und Cappuccino. Durchgezählt sind wir insgesamt 18, die Mountainbiker in der Mehrheit – aber die Experten werden dieses Wochenende die Wegewarte sein. Die ersten Diskussionen starten schon während des Essens: Dankenswerterweise reden wir über etwas anderes als Corona und Pandemie. Viel wichtiger erscheint Lars, Ralf und Benni der intensive Austausch über den „Overtourism“ im Münchner Alpenvorland. Ein heißes Thema, wie die Locals wissen. Loisl, unser Hüttenwirt, hat die richtige Devise: „Cool bleiben, Schnuckiputzis!“, ruft er und reißt die Fenster auf. Frischluft muss rein.
Die Theorie beginnen wir mit einem ersten Einblick in die Praxis: Marc Derungs ist nicht nur unser „Gastgeber“ der DAV Sektion Heidelberg, sondern auch langjähriger Wegewart der Heidelberger Hütte. Die Sektionen des DAV in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet sind verantwortlich für die Pflege der Wege auf ihrem Gebiet und das kann je nach Sektion auch schon mal ein bisschen größer sein. Durch Marcs Präsentation erahnen wir leise, was uns morgen erwarten wird.

Wegepflege des DAV Weg

Wer weiß, wie viel Arbeit in der Instandhaltung von Wegen steckt, wird in Zukunft sehr viel achtsamer mountainbiken.

[18.7. 7 Uhr – Frühstück]

Zumindest wir sechs Leute aus Lager Nr. 3 freuen uns tierisch, dass keiner geschnarcht hat. Für diese Uhrzeit wirken wir schon fast ausgeschlafen. Gut so, denn heute wird es ernst: Neben Marc sind Michael Stein, Wegewart der Kölner, und Hermann Rapp, Wegewart der Jamtal-Hütte am Fimbapass unsere Guides der anderen Art. Die Bikes bleiben leider im Keller, stattdessen sind Spitzhacke, Schaufel und Rechen angesagt. Wir haben uns ein ordentliches Stück Weg vorgenommen und wandern in großer Gruppe bergauf, fast bis zur Passhöhe auf 2.600 Metern. Von dort wollen wir uns wieder zurückarbeiten. Auf dem Weg wird schon das Auge geschult: Wo müssen Rinnen zur Entwässerung, sogenannte „Auskehrungen“, neu gezogen werden? Wo muss loses Gerümpel aus dem Trail entfernt werden? An mancher Stelle könnten wir uns auch einen Anlieger vorstellen … Träumen darf man ja mal.
Oben angekommen teilen wir uns in zwei Gruppen auf und legen los. Unsere Guides sind allesamt langjährige Experten und zeigen uns, wie welche Geräte angesetzt werden müssen, wie wir Pfützen trockenlegen oder Wanderer und Biker sinnvoll über den Weg führen. Am besten so, dass keine Nebenpfade oder zusätzliche Spuren entstehen. Wir bauen buchstäblich Brücken – nicht nur über Nassstellen. Die gemeinsame Arbeit ist ein hervorragender Anknüpfungspunkt für Gespräche auf dem Weg. Es ist nicht allzu viel los Richtung Fimbapass, aber alle Biker und Wanderer sind begeistert von unserem Einsatz. Wir auch! Es ist eine Plackerei, aber zugleich wirklich befriedigend. Und die Vorstellung verlockend, morgen früh die Räder hier hochzutragen und das überarbeitete Stück Weg selbst wieder abzufahren.

[20h – Seminarraum]

Am Abend greift der Theorie Teil von Marc und Verena noch einmal auf, welche Wegschäden wir heute beobachten haben. Welcher Schaden wird typischerweise durch welche Nutzergruppe verursacht, was ist zu erwarten und was lässt sich wie schon vorab vermeiden? Interessant wird es dann im Anschluss auch für die Wegewarte selbst: Ralf Pflaum vom DAV Bundeslehrteam Mountainbike erklärt, was die Biker mögen und welche Arten von Wegen für welche Mountainbike Typen interessant sind.
Die Feedback Runde zum Abschluss wird begleitet vom obligatorischen Zirbenschnaps. Wir sind uns alle einig: Der Lehrgang war eine hervorragende Gelegenheit über den Tellerrand zu schauen und gemeinsam etwas zu bewegen. Nicht nur Steine. Es braucht auch weiterhin viel Kommunikation und einen intensiven Austausch zwischen den beteiligten Gruppen. Wir haben mit dieser Runde einen weiteren wichtigen Schritt gemacht. Vielleicht können wir das ja im nächsten Jahr auf einer anderen Hütte wiederholen und für das Miteinander weiter Werbung machen. Unsere drei Wegewarte haben wir schon überzeugt.

DAV, Mountainbiken & Wegepflege in Zahlen

• Länge des DAV Wegenetzes: ca. 30.000 km
• Investitionssumme pro Jahr: ca. 1 Mio. € für umfangreiche Sanierungen – Anteil öffentliche Förderung ca. 25 %
• Ehrenamtliche Stunden pro Jahr: ca. 50.000
• Mountainbiken ist Kernsportart des DAV
• 43% aller 1,3 Mio. Mitglieder fahren Mountainbike
• Knapp 600 Fachübungsleiter Mountainbike des DAV vermitteln in ihren Kursen nicht nur bodenschonende Fahrtechnik sondern sensibilisieren auch für sozialen Umgang auf dem Trail
• Der DAV entwickelt im Rahmen des vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz geförderten Projektes „Bergsport Mountainbike – nachhaltig in die Zukunft“ einen Leitfaden für die Instandhaltung von Shared Trails
• Der DAV setzt sich für ein sozial- und naturverträgliches Biken ein, seit 2019 mit der Kampagne „Natürlich biken“ (www.alpenverein.de/natuerlich-biken)

mtb travel Tipp

Bist du Mitglied im Alpenverein? Wenn ja, erkundige dich doch einmal: vielleicht gibt es in deiner Sektion auch Aktionen zur Wegepflege. Denn eine bessere Werbung für ein Respektvolles Miteinander zwischen Hüttenwirten, Wegewarten, Mountainbikern und Wanderern gibt es wohl kaum!

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