Müll mitnehmen

Text Jana Möltner Bild Renate Steinacher, privat
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It's not my waste - but it's my planet

Es ist leider ein gewohntes Bild: Müll an den Wegrändern in den Bergen. Bestimmt ist er dir auch schon auf der ein oder anderen Tour aufgefallen. Mit dieser Tatsache wollte sich Renate Steinacher nicht länger abfinden.
Sie gründete den Verein #estutnichtweh. Eine Initiative von Menschen, die sich dazu bekennen, den Müll anderer Leute aufzusammeln. Eine Community aus echten Bergliebhabern – darunter Freeriderinnen Eva Walkner und Aline Bock, der Profikletterer Alexander Huber und Red Bull Speedrekordhalter Markus Stöckl.
Wir haben uns mit Gründerin Renate Steinacher unterhalten.

 
 

Jana Möltner: Hallo Renate, bitte stell uns euren Verein doch einmal vor.

Renate Steinacher: Die Idee dazu ist mir bei einer Alpenüberquerung gekommen. Ich habe am Weg liegengebliebenen Müll eingesammelt, in meine Hosentaschen gesteckt und im nächsten Tal entsorgt. Ich wurde dann von einem Mitwanderer gefragt, warum ich den Müll aufhebe. Meine Antwort war: „Weil es mir nicht weh tut.“ Weil ich der Natur etwas zurückgeben wollte, ist dann unser ehrenamtlicher Verein #estutnichtweh entstanden. Es gibt viele Initiativen, die sogenannte Clean ups, also Müllsammeltreffen organisieren – aber uns geht es auch darum, dass wir uns ständig verantwortlich fühlen. Immer wenn es uns möglich ist und es uns nicht weh tut, nehmen wir das mit, was andere verloren haben.

Jana Möltner: Das heißt, euer Ziel ist es, regelmäßig dafür zu sorgen, dass die Berge ein Stück weit sauberer werden.

Renate Steinacher: Genau. Dass jeder für sich das als ganz normale Gewohnheit in seinen Bergsport und Alltag integriert, ohne darauf zu warten, dass irgendwer eine Aufräumaktion startet. Zusätzlich organisieren wir natürlich auch regelmäßig Clean ups, bei denen wir uns treffen und gemeinsam Müll sammeln.

Müll mitnehmen Renate Steinacher

Renate Steinacher
bringt Steine ins Rollen - nicht nur mit #estutnichtweh. Die ehrenamtliche Bergretterin arbeitete 15 Jahre lang in den Marketingabteilungen internationaler Firmen - bis sie sich die Sinnfrage stellte und sich selbstständig machte. Heute begleitet sie unter anderem als Coach Firmen auf ihrem Weg, ein harmonisches Umfeld für alle Mitarbeiter zu schaffen.
www.estutnichtweh.org

Jana Möltner: Warum ist denn jetzt eigentlich Müll in den Bergen ein so großes Problem?

Renate Steinacher: Überleg mal, wie viel Gift in einem Zigarettenstummel steckt. Du gehst auf einen Berg, rauchst oben deine Gipfelzigarette – da spricht nichts dagegen –, und die landet anschließend in der Natur. Die enthaltenen Giftstoffe werden beim nächsten Regenguss ausgespült und landen im Grundwasser. Zu Hause drehst du deinen Wasserhahn auf und bekommst die Quittung direkt in dein Glas präsentiert. Das heißt, wir vergiften uns selbst. Abgesehen davon zersetzt sich der kleine Stummel nicht, sondern er zerfällt nur zu Mikroplastik. Die nächste Gefahrenquelle: Glasscherben. Die sind scharf und können Pfoten und Füße verletzen. Es sind immer mehr Leute barfuß unterwegs, das ist wirklich eine Verletzungsgefahr. Das Gleiche gilt für Weißblechdosen: Sie rosten und bekommen scharfkantige Enden. Und auch Bioabfall, sprich organischer Abfall, hat in der Natur nichts zu suchen. Viele Leute denken zwar, dass Bananenschalen verrotten, aber sie wissen nicht, dass das fünf Jahre dauert. Die Mikroorganismen in den Bergen können die exotische Frucht einfach nicht zersetzen. Der Müll wird also konserviert – wenn er nicht gerade von einem Tier gefressen wird, welches ihn aber auch nicht verdauen kann und womöglich sogar daran verendet. Zusätzlich gibt es noch den Plastiksticker auf den Bananen, der in der Natur zurückbleibt. Ein anderes Beispiel sind Taschentücher – die sind sehr stabil. Früher haben sie sich beim Waschen in der Waschmaschine aufgelöst. Heute kann ich sie zwei-, dreimal mitwaschen und dann immer noch auseinanderfalten und „wiederverwenden“. Toilettenpapier hingegen ist dafür gemacht, dass es sich in der Kanalisation auflöst. Wenn man schon die Notdurft am Berg verrichtet und sich davor ekelt, sie in einem Plastiksäckchen wieder mitzunehmen, dann sollte man wenigstens ein paar Stücke Toilettenpapier mitnehmen, denn das zersetzt sich durch den Regen mechanisch. Im Idealfall ein recyceltes Toiletten- und kein eingefärbtes, gebleichtes Papier. Die perfekte Lösung ist das natürlich auch nicht. Aber die Hemmschwelle, die eigene Notdurft einzupacken und mitzunehmen, ist für viele leider zu hoch.

Müll mitnehmen Verrottungszeiten

Jana Möltner: Hast du einen Tipp, was ich im Vorfeld einer Tour planen kann, um Müll zu vermeiden?

Renate Steinacher: Generell den Rucksack so zero waste wie möglich zu packen. Aludose oder Bienenwachstuch statt Brottüte, Edelstahlflasche statt PET Einwegflasche, Drybag statt Plastiktüte – also quasi mit so wenig Müll wie möglich überhaupt in dein Bergabenteuer starten. In den Bergen liegen oft kleine Abrisse von Müsli- und Powerriegeln. Mein Tipp: Daheim schon selber Hafercookies oder nahrhaftes Brot backen und das dann in einem Bienenwachstuch verpacken. Dann hast du gleich zwei Sachen richtig gemacht: erstens gar kein Plastik mit auf den Berg genommen und zweitens deine Geldbörse geschont. Das Gleiche gilt natürlich für Getränke. Eine Edelstahlflasche ist zwar ein bisschen schwerer, dafür hält sie im Sommer ein frisch gepresstes Zitronenwasser kalt und im Winter den Tee warm.

Jana Möltner: Wie können wir euren Verein unterstützen?

Renate Steinacher: Am besten, indem du Fördermitglied wirst. Als Dankschön gibt es im ersten Jahr unser „Drecksackerl Set“ mit „Mistzangerl“ und „Tschickdoserl“ dazu – das ist eine Zigarettenstummel Büchse, damit die Gipfelzigarette nicht am Berg bleibt. Und dann kannst du uns natürlich unterstützen, indem du aktiv Müll sammelst und darüber sprichst. Wer Lust hat, kann auch bei uns im Verein mitarbeiten – mal ein Clean up organisieren oder uns adminis­trativ oder organisatorisch unterstützen.

Jana Möltner: Seid ihr auch über Österreich hinaus mit eurem Verein aktiv?

Renate Steinacher: Auf jeden Fall! Wir haben viele Mitglieder und sind schon sehr international vertreten; im deutschsprachigen Raum sind wir in Österreich, Deutschland, Schweiz, Südtirol massiv unterwegs und haben ganz viele Mitglieder aus diesen Regionen. Aber auch in Amerika, England, Frankreich, Finnland, Russland haben wir bereits Mitglieder.

Jana Möltner: Hast du noch einen letzten Satz, den du loswerden willst?

Renate Steinacher: Jede kleine Aktion hat eine große Wirkung, die der ganzen Menschheit und der Natur hilft. Und: Wenn man mal angefangen hat, kann man überhaupt nicht mehr aufhören. Es macht einfach Spaß, und man merkt, wie wichtig es ist. 

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