Höhenstufen

Text Antje Bornhak Bild privat
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Von Sizilien in die Arktis

„Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht“, verlautbarte angeblich einst Johann Wolfgang von Goethe. Was fällt uns also auf, wenn wir mit Mountainbike und Gravelbike durch die Bergwelt flitzen? Wir bemerken, wie es kühler wird, je weiter wir hochradeln. Die Pflanzen verändern sich, die Farben werden andere. Doch warum ist das so?

 
 

In drei Stunden mit dem Mountainbike von mediterraner Vegetation in die Arktis

Wie wäre es, Europas Klima- und Vegetationszonen zu erradeln? Die meisten von uns werden für die 5.000 Kilometer von Sizilien bis ans Nordkap wohl mehrere Wochen brauchen. Wollen wir einen Einblick in die Veränderung der Vegetation, schaffen wir das auch an einem Tag – hin und zurück! Wir starten in einem norditalienischen Alpental, schrauben uns einen Pass bis auf 2.700 Meter hinauf und erklimmen dort noch einen Gipfel. Was wir erleben, bzw. erfahren, gleicht einer Reise durch die Klimazonen. Mediterranes Feeling im Tal und arktische Kälte am Gletscher. Irgendwie klar, dass hier oben keine Palmen wachsen! Doch warum ist das so? Warum ist es oben kälter? Und wie wirkt sich das genau auf die Vegetation aus?
Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. Und da die Temperatur direkt an den Luftdruck gekoppelt ist, nimmt auch sie kontinuierlich ab. Außerdem ist der Wasserdampfgehalt oben geringer. Auch er steht in direktem Verhältnis zum Wärmegehalt der Atmosphäre. Denn die Luft erwärmt sich nicht direkt von der Sonne, sondern indirekt über den von der Sonne aufgewärmten Boden. Alles in allem nimmt die Temperatur dadurch zwischen einem halben und einem Grad pro hundert Höhenmeter ab.

Höhenstufen Antje Bornhak

Über die Autorin
Antje Bornhak ist im Wilden Osten der Republik aufgewachsen. Daher kommt wahrscheinlich auch ihre Art, Probleme kreativ zu lösen. Ihre Neugierde und ihr Hang zu anderen Perspektiven wurden ihr dort zum Verhängnis. Als Geografin gibt sie sich nun ihrer Neugierde hin und begeistert nicht nur als Ausbilderin im Bundeslehrteam Mountainbike des Deutschen Alpenvereins andere für die Themen, die ihr am Herzen liegen.

Von Latsch aufs Stilfserjoch und noch weiter

Starten wir im Vinschgau bei 30 Grad, so dürfen wir uns nicht wundern, dass es am Stilfser Joch nun keine 15 mehr sind. Außerdem weht da oben immer ein fieser Wind. Denn die Luft über den Schnee- bzw. Gletscherflächen wird gekühlt. Kalte Luft ist schwerer – also strömt sie über den Gletscher nach unten. Und dabei beschleunigt sie sich auch noch. Am Südhang erwärmt die Sonne schon von den frühen Morgenstunden an den Erdboden, dieser dann die darüber liegende Luft und es entstehen warme thermische Winde bergauf. Zusätzlich regnet oder schneit es auch ab und an – je höher man kommt, desto mehr. Einfach, weil dort die Luft kälter ist und kalte Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann, der sich dann eben abregnet. Und wer an einem schönen Sommertag in den Bergen den Sonnenschutz vergessen hat, der weiß auch, dass die Sonne in der Höhe wesentlich intensiver ist. Alles, was wir spüren, hat natürlich auch Einfluss auf die Vegetation. Nur ist diese nicht ganz so mobil wie wir und wandert einfach weg, wenn es ihr nicht mehr gefällt.

Anpassungsstrategien

Um mit den jeweils vorherrschenden Verhältnissen klarzukommen, braucht sie Anpassungsstrategien. Keinem Laubbaum würde es gefallen, würden seine Blätter regelmäßig erfrieren. Und kein Enzian wird im dunklen Schatten eines Nadelwaldes Insekten zur Bestäubung anlocken können, weil er dort seine Blüte nie öffnet. Im Prinzip kann man davon ausgehen, dass jede Pflanze deshalb genau dort steht, wo sie steht, weil sie es dort am besten hat und noch dazu anderen überlegen ist.
So wundert es also nicht, dass sich verschiedene Vegetationszonen ausgebildet haben. Da sie vertikal ausgebildet sind, spricht man von den Höhenstufen der Vegetation. Diese vertikal gestaffelten Naturräume sind der Abfolge von Klimazonen von den mittleren Breiten zu den Polen ähnlich. Ihr Klima zeichnet sich ja durch ähnliche Kenngrößen aus. Die Länge einer Vegetationsperiode – also vom Austrieb bis zum Blattfall – ist dabei genauso limitierend wie Wetterextreme. Denn dass beispielsweise nicht alle Pflanzen Frost vertragen, weiß jedes Kind.

Höhenstufen

Höhenstufen am Beispiel der Hohen Tauern. Variierend je nach Nord- und Südseite.

1 – Colline und submontane Stufe

Bis maximal 800 Meter a. s. L.
Natürliche Laubwälder (Buche, Eiche, Flaumeiche)

2 – Montane Stufe

Bis 1.500/2.000 Meter a. s. L.
Übergangsbereich zwischen Laub-, Misch- und Nadelwäldern. Früher gab es Obst- und Getreideanbau bis zu dieser Stufe.

3 – Subalpine Stufe

Untergrenze 1.500–1.800 Meter, Obergrenze 1.700–2.400 Meter a. s. L.
Der Übergangsbereich von Nadelwäldern (vor allem Fichten Lärchen Wälder und Lärchen Zirben Wälder) hinauf zum Krummholz wird als Baumgrenze bezeichnet.

4 – Alpine Stufe

Inneralpin 2.700–3.000  Meter, Alpenrand 2.400/2.500 Meter
Oberhalb der Baumgrenze dominieren zunächst Zwergstrauchheiden, die langsam in Grasheiden übergehen.

5 – Nivale Stufe

Im felsigen Gipfelbereich. Die Abgrenzung zur alpinen Stufe wird über die lokale Schneefallgrenze definiert. Es ist ganzjährig Schnee möglich. Ver­einzelte Rasenflecke und spezielle, an die extremen Witterungsbedin­gun­gen angepasste Vegetation wie z. B. der Gletscher Hahnenfuß, Moose und Flechten können hingegen noch in erstaunlichen Höhen gedeihen.

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