Erste Hilfe beim Biken

Text Dani Hornsteiner Bild Marcus Euerle
Ratgeber

Was tun im Ernstfall?

Jeder von uns geht gerne Biken, egal ob im Mittelgebirge, in den Alpen oder in BikeParks. Selten denken wir dabei daran, dass vielleicht etwas passieren könnte.

 
 

Ehrlich, wann war dein letzter Erste Hilfe Kurs? Nicht wenige beantworten diese Frage mit: „Damals zum Führerschein.“ Tritt dann eine Notsituation ein, sind die meisten erst einmal unsicher. Was muss ich tun, wenn der Freund stürzt, mit seinem Bike den Hang abrutscht und bewegungslos liegen bleibt?
Dani Hornsteiner beeindruckt und hinterlässt Spuren im Leben derer, die sie begleitet: als Tour-Guide, als Bergretterin, als Ausbilderin oder Yoga Lehrerin. Seit vielen Jahren engagiert sie sich rund um das Thema Outdoor Erste Hilfe – seit 2015 hauptberuflich mit der eigenen Firma. Wir haben sie gebeten, uns die wichtigsten Basics zur Ersten Hilfe für Biker zu erklären:

Erste Hilfe beim Biken Dani Hornsteiner

Dani Hornsteiner

Selbstschutz

Auch wenn es schwierig ist: Bevor du in deinem Drang, zu helfen, blind losrennst und dich dabei vielleicht selbst gefährdest, atme tief durch und beurteile die Situation. Am Berg und auf dem Trail könnten besondere Gefahren herrschen wie z. B. Steinschlag, Steilhänge oder mit hoher Geschwindigkeit heranfahrende Mountainbiker. Erst wenn du sichergestellt hast, dass für dich und andere Personen keine Gefahr besteht (dazu gehört auch, die Unfallstelle abzusichern), geh zu dem Verletzten hin.

Notruf absetzen

Wenn du nicht zur verletzten Person absteigen kannst, diese bewusstlos ist, offensichtlich schwere Verletzungen hat oder die Situation deine Möglichkeiten und dein Können übersteigt, ist ein schneller Notruf wichtig. Die Notrufnummer ist EU weit 112. Du solltest immer ein Handy mit vollem Akku auf jeder MTB Tour dabeihaben. Gibt es einmal keinen Empfang, dann versuch es zuerst über die Notruffunktion des Handys oder eine Notruf App, z. B. die „SOS EU Alp“ App. Gegebenenfalls hat jemand anderers in der Gruppe Empfang? Hat niemand Empfang, sollten jetzt am besten zwei Helfer Richtung Handyempfang gehen oder fahren.

Sofortmaßnahmen

Akut lebensbedrohliche Verletzungen oder Erkrankungen wie stark blutende oder spritzende Wunden und die Bewusstlosigkeit kommen zum Glück sehr selten vor. Weil sie aber so gefährlich sind, ist es ganz besonders wichtig, schnelle und sachgerechte Erste Hilfe zu leisten. Es zählt tatsächlich jede Minute. Nur der Ersthelfer kann die akut lebensbedrohte Person retten. Jede professionelle Rettung wird häufig zu spät vor Ort sein.

Erste Hilfe beim Biken

Der Umgang mit dem Dreieckstuch gehört zu den Erste Hilfe Basics, z. B. beim Ruhigstellen des verletzten Arms oder der Schulter.

Erste Hilfe beim Biken

Beim Outdoor Erste Hilfe Kurs lernt man, wie ein Verletzter im Gelände geborgen wird.

1. Stark blutende oder spritzende Wunden

• Verletzte Person hält Arm hoch und drückt selber die Wunde zu.
• Ersthelfer legt sofort einen Druckverband an (dafür brauchst du ein Verbandspäckchen und ein wasserdicht eingepacktes Druckpolster wie z. B. eine Mullbinde oder ein Taschentuchpackerl).
• Schocklage nur, falls keine weiteren Verletzungen vorliegen (Beine hoch lagern).

2. Starke innere Blutungen

Gerade Mountainbiker können bei Stürzen von inneren Blutungen betroffen sein. Rammt sich ein Fahrer den Lenker in den Bauch, so kann es durch den hohen Energieeintrag beim Sturz zur Verletzung der inneren Organe kommen (vor allem Leber, Milz und Darm). Eine Wunde ist in der Regel nicht sichtbar. Treten folgende Symptome auf, ist dennoch unverzüglich der Notruf 112 abzusetzen:
• Bauchweh, Schmerzen im Bauchraum
• Bauch ist druckempfindlich
• Ggf. Prellmarken auf Bauch oder blaue Flecken
• Blässe, kalter Schweiß
• Schwindel
• Bewusstseinseintrübung bis Bewusstlosigkeit

Auch bei nur leichtem Bauchweh oder einem unangenehmen Gefühl in Bauchraum nach einem MTB Sturz ist ein Notruf abzusetzen. Ein Leber-, Milz- oder Darmriss kann in den ersten Minuten unauffällig sein, auch wenn er nur sehr klein ist, und schnell lebensbedrohlich werden. Bewegung sollte in jedem Fall vermieden werden.

Erste Hilfe beim Biken

Verletzungen werden von Dani und ihrem Team realitätsnah nachgestellt.

3. Bewusstlosigkeit

Hier unterscheiden wir zwischen einer bewusstlosen Person, die noch atmet, und einer, die nicht mehr regelmäßig atmet. Bewusstlose Personen mit Atmung müssen so schnell wie möglich in die stabile Seitenlage gebracht werden. Das Entscheidende dabei ist, dass der Kopf tiefer liegt als der Magen und der Kopf überstreckt ist: Im Hang muss die verletzte Person entsprechend leicht bergab mit Blick ins Tal gelegt werdet. Beim Drehen in die stabile Seitenlage achte ganz besonders auf den Kopf: Bewusstlose Personen haben keinen Muskeltonus. Dadurch könnten auf Untergründen wie Geröll Zusatzverletzungen auftreten.

Bewusstlose Personen mit Atemstillstand müssen so schnell wie möglich reanimiert werden. Die Reanimationsrichtlinien lauten:
• Rhythmus 30 : 2 (30-mal drücken, dann zweimal beatmen [ein oder zwei Helfer])
• Drucktiefe bei Erwachsenen fünf bis sechs Zentimeter auf der Mitte des freigelegten Brustbeins
• Druckfrequenz 100-mal pro Minute
• Beatmung erfolgt in normalen Atemzügen, ohne extra Luft zu holen
Da das Drücken sehr anstrengend ist, nach fünf Zyklen tauschen – jetzt drückt ein anderer Ersthelfer die nächsten fünf Zyklen und du beatmest. Die Reanimation wird bis zur Übernahme durch die Bergwacht kontinuierlich ohne Pause durchgeführt.
Der Untergrund sollte möglichst eben sein; das ist am Berg nicht immer einfach. Hier hat der schnelle Start der Reanimation Vorrang über einen möglichst perfekten Platz. Bei einer Reanimation auf einer Matratze oder weichem Untergrund lege die leblose Person unbedingt zuerst auf festen Boden.

Erste Hilfe beim Biken

Psychische Betreuung

Bei weitaus mehr MTB Unfällen sind die Verletzten zum Glück ansprechbar. Neben dem Feststellen der möglichen Verletzungen durch den Body Check kommt der psychischen Betreuung eine Schlüsselrolle zu. Verletzte haben Schmerzen und Angst. Darum ist es ganz besonders wichtig, ihnen zu zeigen, dass du für sie da bist und sie nicht alleine sind. Das ist ganz einfach und wird trotzdem bei vielen Unfällen vergessen.

Äußere Verletzungen

Leichtere Verletzungen wie Schürf-, Platz- oder Schnittwunden können mit einer sterilen Kompresse gesäubert und dann mit Pflaster oder einer frischen Kompresse und einem Verband versorgt werden.
Während die Rettung alarmiert ist und zur Unfallstelle kommt, werden Brüche nicht geschient. Jede Manipulation verursacht zusätzliche Schmerzen. Zudem muss das Schienen geübt werden. Es reicht, wenn du die gebrochene Extremität ruhig und weich gepolstert lagerst. Bei Knie- oder Knöchelverdrehungen, Pferdeküssen oder Prellungen reduziert der PECH-Verband Schmerzen und verlangsamt die weitere Schwellung:
• P – Pause: Die verunfallte Person soll sich nicht mehr bewegen.
• E – Eis: Ein Coolpack hat jeder dabei, und zwar in Form eines Einmalhandschuhs: Kaltes Wasser, Matsch, Schnee oder Gletschereis hineinfüllen und mit einem Knoten verschließen.
• C – Compression: Einen Druckverband anlegen, wobei das Druckpolster das improvisierte Coolpack ist.
• H – Hochlagern: Das Bein sollte über Herzhöhe bequem gelagert werden (z. B. Rucksäcke unterlegen).

Es gibt natürlich noch viele weitere Verletzungen. Gerade beim Biken kommen Hitze- oder Kälteschäden wie Sonnenstich, Dehydrierung oder Unterkühlung sowie Kreislaufprobleme, Unterzucker, Allergien oder Herzprobleme immer wieder vor.
Typische Verletzungsmuster beim Biken, Maßnahmen, Notfallmanagement oder auch Transportmöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit mit dem Hubschrauber können in MTB spezifischen, praxisorientierten Outdoor Erste Hilfe Kursen gelernt und intensiv geübt werden (www.danihornsteiner.de).

"Für mich sind Erste Hilfe Kurse nur dann wirklich zielführend, wenn die Teilnehmer selber so viel wie möglich in realitätsnahen Szenarien üben. Die Fallbeispiele geben den Teilnehmern viele kleine Mentalfilme, die sie mit nach Hause nehmen und im Ernstfall besser abrufen können als rein theoretisch erworbenes Wissen."
Dani Hornsteiner
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