Man kann im Salzkammergut eines der härtesten Mountainbike-Rennen der Welt fahren. Man kann es sich aber auch einfach gut gehen lassen. Genau das haben wir getan – mit E-MTBs und viel Zeit im Land der berüchtigten „Trophy“.
Die Heimat des größten mtb Marathons Österreichs
Das härteste Rennen der Welt – vor Postkarten-Kulisse
Das einzige Geräusch ist das Knirschen unserer Reifen auf dem Schotter. Meine Finger sind ein bisschen müde vom Bremsen auf der langen Abfahrt – fast 600 Tiefenmeter seit der Rossalm liegen hinter uns. „Wir sind gleich am See“, ruft Paul mir zu, nachdem ich ihn bereits zum dritten Mal um eine Pause bitte. Und tatsächlich – hinter einer letzten Kurve liegt er auf einmal in seiner ganzen Pracht vor uns:
Der Vordere Gosausee
Eingerahmt vom majestätischen Dachstein und seinen weißen, zerklüfteten Wänden. Wir suchen uns ein seichtes Ufer, klettern runter zur Wasseroberfläche und tauchen unsere Füße in das kristallklare Nass. Das war’s. Hier bekommt mich so schnell keiner mehr weg. Paul erzählt: „Als ich letztes Mal hier war, hatte ich bereits 170 Kilometer in den Beinen. Es hat in Strömen geregnet, mir tat alles weh und ich war echt den Tränen nahe. Wenn ich jemals ans Aufgeben gedacht habe – dann hier“. Ich rekele mich in der Sonne, tauche die Füße noch ein bisschen tiefer ein und fische mir einen Keks aus der Packung, die Paul gerade geöffnet hat. „Warum tust du dir so was an?“, frage ich ihn. Er überlegt – wahrscheinlich weiß er es selber nicht.
Einmal im Leben!
Was bewegt Menschen dazu, an einem einzigen Tag 210 Kilometer und 7.119 Höhenmeter zurückzulegen? Um fünf Uhr morgens an den Start zu gehen und bis in die Nacht im Sattel zu bleiben? Alle Signale des Körpers über Stunden zu missachten und sich bis an die physische Erschöpfung zu quälen? Meine erste Vermutung: der Ruhm. Die A-Distanz der Salzkammergut Trophy wird in einem Atemzug mit dem Cape Epic in Südafrika, der Yak Attack im Himalaja oder dem Desert Dash in Namibia genannt. Sie gilt als eine der härtesten Prüfungen, der man sich als Marathonfahrer stellen kann. Die Tatsache, solche Herausforderungen in unseren Breitengraden vorzufinden, ist für viele Anlass zu sagen: „Einmal im Leben!“. So auch für Paul: „Ich glaube, ich hätte es später echt bereut, wenn ich es nicht wenigstens versucht hätte.“ So sehen das wohl auch die fast 1.000 Starter, die sich jedes Jahr auf die A-Distanz wagen. Insgesamt verzeichnet die Trophy jedes Jahr über 5.000 Teilnehmer, die sich auf 22 verschiedene Distanzen verteilen. Ob sie wohl wissen, dass man es im Salzkammergut auch ohne Streckenposten und Zeitnahme ganz gut aushalten kann?
"Was bewegt Menschen dazu, an einem einzigen Tag 210 Kilometer und 7.119 Höhenmeter zurückzulegen?"
Hüttenromantik
Der Vordere Gosausee
Ruhige Forstwege führen zum vorderen Gosausee
Alpenpanorama
Eine Hütteneinkehr gehört zum Biken wie Öl auf die Fahrradkette.
Die Ewige Wand. Wer diese Mountainbikeroute nicht gefahren ist, war nicht im Salzkammergut.
Alle Zeit der Welt
Das kalte Wasser macht hungrig, also entschließen wir uns spontan, noch einen Abstecher zu einer Alm zu machen. Wir haben ja Zeit. In Gosau biegen wir auf die Iglmoos Alm-Runde ab. Mit unseren E-Bikes surren wir bequem die zehn Kilometer Forststraße bis zur Alm hinauf (Paul mit ein paar Stufen weniger Unterstützung als ich – alter Rennfahrer-Stolz). Irgendwo müssen wir aus Versehen eine Abzweigung in die Vergangenheit genommen haben, denn die Alm, die wir jetzt erreichen, ist definitiv aus der Zeit gefallen. Eine einzige Sennerin bewirtet uns, kocht uns Kaiserschmarrn und belegt uns Käsebrote in ihrer winzigen Küche – und lässt es sich anschließend nicht nehmen, sich für ein Schwätzchen zu uns zu setzen. Den ganzen Sommer verbringt sie hier oben allein, im Rhythmus der auf- und untergehenden Sonne. Was sie wohl von 1.000 Mountainbikern hält, die sich wie die Wahnsinnigen auf einen 13-stündigen Höllenritt begeben? Man kann es sich vorstellen.
Was wirklich zählt
Den Abend verbringen wir in unserem Bike-Hotel, – es ist die erste Adresse für Mountainbiker in der Region, dementsprechend sind wir offenbar auch nicht die einzigen Gäste, die mit Bikes angereist sind. Statt wie vor einem Wettkampf Carbo-Loading zu betreiben, können wir uns in aller Ruhe durch das Vier-Gänge-Menü schmausen. Mit den Tischnachbarn kommen wir schließlich ins Gespräch – sie entpuppen sich als echte Salzkammergut-Kenner (und natürlich Trophy-Veteranen) und versorgen uns mit persönlichen Touren-Tipps. Am Ende des Abends haben wir zwar ein oder zwei Bier zu viel getrunken, dafür aber auch eine Karte mit zahllosen Ausrufezeichen, Notizen und eingezeichneten Rastplätzen – genug Material, um noch Tage zu füllen. Für mich ist es das, was beim Biken wirklich zählt: Menschen treffen, ins Gespräch kommen, Erfahrungen teilen.
Überraschenderweise sieht das auch jemand so, von dem man es nicht unbedingt erwartet hätte: Bernhard Höll, hauptamtlicher Organisator der Trophy und seit der ersten Stunde mit dabei. Ihn treffen wir am nächsten Tag zum Interview – und lernen die Trophy noch mal von einer ganz anderen Seite kennen. Höll ist selbst Leistungssportler, er war als Triathlet beim Ironman in Hawaii, den Wettkampf hat er im Blut – das gibt er auch schmunzelnd zu. Aber was ihn seit 21 Jahren im Organisationsteam hält, ist nicht das Extreme – sondern das Menschliche. „Das muss man sich mal vorstellen“, erzählt er uns, als könne er es selbst nicht glauben:
1.200 Helfer!
Und alle Ortschaften haben ihre unterschiedlichen Mentalitäten – die Hallstätter, die Goiserer, die Gosauer und die Obertrauner.“ Hölls Job ist es, alle zu betreuen und zu koordinieren. Eine Herkulesaufgabe. „In der Region steht jeder zur Trophy“, so Höll weiter. Das merkt man: an den liebevollen Verpflegungsstationen mit regionalen Produkten und selbstgemachtem Brot und Käse. An der Stimmung am Start und Ziel. Und daran, dass selbst noch die letzten Ankömmlinge spät in der Nacht mit begeistertem Applaus begrüßt werden. „Jeder Salzkammergutler fühlt sich als Teil der Trophy“. Vielleicht ist es auch diese Stimmung, die die Menschen anlockt, sich auf diese Tour zu begeben – „Die Trophy hat einfach das gewisse Etwas, aber es ist schwer zu erklären“, so Höll.
"Alle Ortschaften haben ihre unterschiedlichen Mentalitäten - die Hallstätter, die Goiserer, die Gosauer und die Obertrauner."
Ziel erreicht
Am letzten Tag haben wir dank der vielen Tipps noch einmal volles Programm. Wir cruisen entlang des Ostufers des Hallstätter Sees, fahren mit der Fähre über ihn drüber, genießen den Blick auf das pittoreske UNESCO-Weltkulturerbe Hallstatt, machen einen Abstecher zur idyllischen Koppenwinkellacke und lassen den Tag schließlich an einem Highlight ausklingen: der Ewigen Wand. Die A-Distanz der Trophy führt gleich zwei Mal an ihr vorbei, und legendär sind die Drohnen-Aufnahmen dieser spektakulären Kulisse – eine senkrechte, nackte Felswand, und, mitten durch sie hindurch, in schwindelerregender Höhe: ein Singletrail. Ein Geländer schützt zum Glück davor, in die Tiefe abzustürzen. An ihm lehnen wir jetzt und bestaunen den sich ankündigenden Sonnenuntergang, der den Himmel bereits rötlich färbt. Ohne Zeitdruck, ohne Stress. So langsam könnte ich mir vorstellen, selbst einmal bei der Trophy zu starten – es müssen ja nicht gleich die 210 Kilometer sein. Seit letztem Jahr gibt es sogar eine E-Bike Wertung, bei der es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um Geschicklichkeit geht. Für dieses Jahr haben wir unser Ziel im Dachstein-Salzkammergut jedenfalls erst mal erreicht: eine extrem entspannte Zeit auf den Mountainbikes zu verbringen.
Fair-Play Regeln
1. Wir befahren nur markierte Routen zu der vorgegebenen Zeit: 16. April bis 31. Oktober von 8.00 bis 18.00
2. Wir halten die geltende Straßenverkehrsordnung (Stvo) ein.
3. Wir respektieren andere Naturnutzer.
4. Wir hinterlassen die Natur wie wir sie gerne vorfinden würden – ohne Abfälle.
5. Radfahren abseits der Routen und außerhalb der freigegebenen Zeiten macht uns zu illegalen Bikern.