Bike Kodex Montafon

Text Holger Schaarschmidt, Anna Weiß Bild Andreas Meyer
Geschichten

Happy Place

Es gibt Regionen, an die kehrt man einfach immer wieder gern zurück. Das Montafon ist für uns einer dieser „Happy places“. Vom Bodensee bis ins Vorarlberger Montafon dauert es nur eine knappe Autostunde. Die Region ist damit ein zentrales Tor zur Wunderwelt der Alpen. „BikenPLUS“ könnte der Slogan des 40 kilometer langen Tals zwischen Silvretta und Rätikon lauten: Denn unsere Mountainbike Erlebnisse dort sind so einprägsam wie abwechslungsreich.

 
 

Eine Spezialitäten Tour

Dieses Jahr wollen wir der Produktion eines typischen Montafoner Gerichts nachgehen: des Montafoner Sura Kees. Dessen Gerinnung wird, anders als beim Labkäse, nicht durch Lab, sondern durch Säure eingeleitet, und er zeichnet sich durch einen hohen Proteingehalt aus. Einst im ganzen Alpenraum verbreitet, verdrängte der Labkäse den Sauerkäse großflächig aufgrund seiner besseren Lager- und Transportfähigkeit. Doch in Zeiten von Slow Food und #buylocal erlebt der Montafoner Sura Kees ein wahres Revival. Heute wird er noch auf 13 Sennalpen mit 800 Kühen hergestellt. Die Obere Wasserstubenalpe ist eine davon. Johannes aka Hans genießt seit vielen Jahren seine Sommer als Senner auf der Alp. Täglich verarbeitet er ca. 400 Liter Milch zu 40 Kilogramm typischem Montafoner Sura Kees. Schon nach zwei Tagen, erzählt er, sei der Montafoner Sura Kees fertig zum Verzehr. Verkauft werde er an lokale Betriebe und Privatpersonen. Und auch wir verköstigen den Sauerkäse gemeinsam mit Buttermilch, Speckbrot und Hauswurst. Verdient haben wir ihn uns, schließlich sind wir auf der Strecke, die auch Teil des legendären M3 Montafon Mountainbike Marathons ist, bereits fast 1.000 Höhenmeter bergauf getreten. Nach unserer hervorragenden Jause treten wir noch einige Höhenmeter mehr, bis zur Bergstation der Sonnenkopfbahn. Dort schließen wir unsere Bikes ab, denn ab nun geht es zu Fuß weiter. Auf dem angenehm einfachen Panoramaweg sind Silvretta, Rätikon, Verwall sowie Lechtaler Alpen unsere steten Begleiter. Und schon nach 45 Minuten Aufstieg erwartet uns unsere nächste Jause am Gipfelkreuz des Muttjöchle auf 2.074 Metern.

Bike Kodex Montafon Gipfel Brotzeit

Auf 2.074 Metern Höhe schmeckt die Brotzeit gleich doppelt so gut!

Bike Kodex Montafon Sura Kees

Ein typisches Montafoner Gericht - der Sura Kees.

Bike & Klettersteig

Unsere Tour am nächsten Tag beginnt steil: durch Wiesen und Wälder windet sich unser Güterweg durch die traditionelle Maiensäßlandschaft des Montafon mit ihren kleinen Almhütten und natürlich bewirtschafteten Wiesen. Knapp 30 Kilometer und 1.500 Höhenmeter werden wir zurücklegen, bis wir zuletzt nach einem 30-minütigen Fußmarsch am Golmer Joch ankommen. Wieder ist der Ausblick ein wahrer Augenschmaus: 360 Grad Panorama, dazu die beeindruckenden Persönlichkeiten der Drei Türme und der Zimba, die aufgrund ihrer Form – wie könnte es anders sein! – als Matterhorn des Montafon gilt.
Weil wir nach unserer morgendlichen Tour zum Golmer Joch noch lange nicht müde sind, greifen wir auf ein besonderes Angebot von Montafon Tourismus zurück. Bei „Spezialangeboten“ in Tourismusregionen sind wir immer etwas skeptisch, aber was wir über die Jahre wirklich lieben gelernt haben, ist das „BergePLUS“-Programm im Montafon. Ab einer Übernachtung in einer Partnerunterkunft gibt es viele kostenlose Schnupperaktionen – Dinge, die man zu Hause im Alltag vielleicht nicht ausprobieren würde. So kamen wir schon zum Lama Trekking – und so probieren wir heute DEN Trend der letzten Jahre: Klettersteiggehen. Der Klettersteig Wasserfall gleich oberhalb des Ortszentrums von St. Anton i. M. bietet sich als Herausforderung geradezu an. Trotz einiger C-Stellen ("C" steht in der sogenannten Schall Skala für "schwierig, anstrengend und kräfteraubend") meistert eine ganze Schar Kinder vor uns den Klettersteig behände und in beeindruckender Manier – ihre Begleiter scheinen mit der Steilheit, den kleinen Tritten und den ausgesetzten Passagen weit mehr Mühe zu haben…

Bike Kodex Montafon Bike and Climb

Auch wir versuchen uns am Trend Klettersteiggehen auf dem Klettersteig St. Anton.

Bike Kodex Montafon Klettersteig

2,5 Kilometer und 380 Höhenmeter gilt es hier zu überwinden.

Der Bike Kodex

Unser letzter Tag ist gekrönt von einem weiteren Highlight: Bereits in der Dämmerung treffen wir uns mit einem „Ranger“, der uns den neuen Bike Kodex des Montafon nahe bringt - und uns auch im Detail erklärt, warum dieser dringend nötig war. "Da die Nutzung unserer Bergwelt in den letzten Jahren stark zugenommen hat, kam es naturgemäß zu Konflikten.", erzählt Christian Kuehs, Geschäftsführer des Naturschutzvereins Verwall Klostertaler Bergwälder. "Es freut uns natürlich, dass Aufenthaltsgäste, Tagesbesucher und Einheimische gleichermaßen auf unseren schönen Strecken unterwegs sind. Leider hält sich dabei aber nicht jeder an die Regeln und Markierungen, sodass es mit den anderen Nutzergruppen, der Jagd, der Forst- und der Landwirtschaft verständliche Konflikte gibt“, ergänzt Manuel Bitschnau, Geschäftsführer von Montafon Tourismus. Proaktiv steuerten die Montafoner gegen und gründeten jüngst die Initiative "Lenkungsprojekt Biken". Diese Arbeitsgruppe, der u.a. Vertreter verschiedener Nutzergruppen, Jagd-, Forst- und Landwirtschaft sowie Naturschutz angehören, hat das Ziel, den Mountainbike-Sport im Montafon sinnvoll zu entwickeln und dabei Rücksicht auf die wertvolle Kultur- und Naturlandschaft so wie ihre tierischen Bewohner zu nehmen.

Bike Kodex Montafon Christian Kuehs

Christian Kuehs - Geschäftsführer des Naturschutzvereins Verwall Klostertaler Bergwälder

Bike Kodex Montafon Ranger Christian Kuehs

Wenn man die Verhaltensweisen und die speziellen Ansprüche des Auerwilds kennt, versteht man auch als Laie, dass bereits ein weiterer Trail durch den Lebensraum das Zünglein an der Waage sein kann.

In der Arbeitsgruppe werden einzelne Lösungen für bekannte Konfliktgebiete entworfen und deren Umsetzung behandelt. „Es freut uns außerordentlich, dass die Bereitschaft zur Mitwirkung und der Wille für gegenseitiges Verständnis so groß sind“, zeigt sich Roland Fritsch, Leitung Produkt- und Lebensraummanagement bei Montafon Tourismus, begeistert über den wertschätzenden Umgang miteinander. Erfahrung in der Besucherlenkung und der Entflechtung von Konfliktstrecken haben die Montafoner, schließlich wurde in der Vergangenheit bereits das Projekt „Naturverträglicher Wintersport im Montafon“ erfolgreich umgesetzt.
Welch große Rolle für die Akzeptanz des Bike Kodex dabei eine transparente Kommunikation und ein entsprechend vermitteltes Hintergrundwissen zur Natur spielen, erleben wir bei unserer frühmorgendlichen Pirsch mit Christian am eigenen Leib. Denn nur wer versteht, wie wichtig eine Umfahrung oder gar Sperrung für das ÜBERleben einer Spezies ist, wird im Zweifel das eigene ERleben hintenanstellen.

Bike Kodex Montafon Mountainbike

Typisch Montafon: die wunderschöne Maiensäßlandschaften.

Bike Kodex Montafon Hochmoor Wildried

Das Hochmoor Wildried im hinteren Silbertal liegt auf knapp 1.500 Metern und ist damit eines der höchstgelegenen Hochmoores Zentraleuropas.

mtb travel: Welche Tierarten sind in Bezug auf das Mountainbiken im Montafon besonders gefährdet?

Christian Kuehs: Ein Biker wird einen Specht vermutlich weniger stören als ein Reh. Eine besonders sensible Art ist aber sicherlich das Auerhuhn. Wildruhezonen bieten ihnen Schutz vor Störungen durch Freizeitsportler. Eines dieser Gebiete befindet sich unter anderem hier am Wildried zwischen Muttjöchle und Kristbergsattel. Das ist ein Auerwild Kerngebiet. Davon gibt es leider nur noch eine Handvoll ausgewiesener Flecken im Montafon.

mtb travel: Gibt es einen Unterschied, ob ein Wanderer oder ein Mountainbiker vom Wild wahrgenommen wird?

Christian Kuehs: Das macht durchaus einen Unterschied. Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten der Störung. Je nach Wildart reagiert diese unterschiedlich darauf. So gibt es Arten, die durch Störungen von oben, etwa durch Paraglider oder Fallschirmspringer, als Gefahr wahrgenommen werden. Andere sprechen eher auf Störungen am Boden an. Das kann wiederum durch akustische oder visuelle Reize passieren. Der Unterschied zwischen Wanderer und Mountainbiker rührt von der Geschwindigkeit der Bewegungsart her. Untersuchungen haben gezeigt, dass durch das oftmals plötzliche Auftauchen eines Bikers das Fluchtverhalten deutlich stärker erfolgt als bei einem langsamen Wanderer, auf den die Tiere weniger panisch reagieren. In Gebieten wie hier im Montafon, wo Mountainbiken nur auf ausgewiesenen Strecken erlaubt ist, stellt sich eine Art Gewöhnungseffekt ein. Trotzdem kann man die Frage nur mit Jein beantworten. Die Tiere kennen die gewöhnlichen tageszeitlichen Abläufe und meiden die Wege, wo vermeintlich die Gefahr lauert. In der Regel werden Wege nicht vor oder nach der Dämmerung befahren/begangen. Sollten Wanderer oder Biker außerhalb der auch als Wildruhezeiten bekannt gegebenen Zeiträume die Wege nutzen, wird das Wild trotzdem die Flucht ergreifen. Deshalb ist es wichtig, die ausgewiesenen Wege und Betretungszeiten, besonders morgens nach und abends vor Einbruch der Dämmerung, für die Schutzgebiete zu beachten.

Bike Kodex Montafon Christian Kuehs

Christian ist bekennender Auerwild Fan.

Bike Kodex Montafon Sonnentau

Charakteristisch für die Gattung Sonnentau sind die mit Klebedrüsen besetzten Blätter der Pflanzen, die ihr den Fang von Beute und so das Gedeihen auch auf sehr nährstoffarmen Böden ermöglichen.

mtb travel: Viele Mountainbiker wie auch Wanderer oder Skitourengeher haben auf ihren Touren erfahrungsgemäß selten Sichtkontakt zu Wildtieren. Oftmals ist das jedoch der fehlenden Aufmerksamkeit beim Sport geschuldet, oder?

Christian Kuehs: Zum einen liegt das natürlich genau daran. Oftmals wird diese fehlende Wahrnehmung als Argument gegen Leitungsmaßnahmen angebracht. Dann heißt es: „An diesem Ort habe ich noch nie ein Wildtier gesehen.“ Meist meiden Wildtiere die von Menschen aufgesuchten Gebiete. Wenn Bestände langfristig bestimmten Lebensräumen aufgrund der Störung durch Menschen ausweichen, führt das leider oft zu einer dauerhaften Meidung, obwohl der Lebensraum für sie optimal wäre. Dadurch werden die Tierbestände immer mehr zurückgedrängt und die Populationen schrumpfen. Beim Auerwild ist dieses Phänomen ganz klar nachgewiesen. Die großen, behäbigen und bis zu fünf Kilogramm schweren Waldvögel sind sind besonders sensibel. Jede Flucht bedeutet zudem einen erheblichen Energieaufwand. Einen Gewöhnungseffekt, wie man ihn bei anderen Wildtieren beobachten kann, gibt es beim Auerwild leider nicht. Wenn der Lebensraum eingeengt wird, dann verschwindet diese Art.

mtb travel: Geht es bei den Besucherlenkungsmaßnahmen nur um Wild oder auch um Pflanzen?

Christian Kuehs: Das Thema Wildtiere leuchtet den meisten Menschen noch ein. Ein anderes Thema ist die Zerstörung von Flächen. Hier im Montafon gibt es zum Beispiel einige Hoch- und Niedermoore. Torfmoore sind sehr empfindlich. Erneuerungsprozesse dauern mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Was man am Langsee gut erkennen kann, ist das nachvollziehbare Verhalten, wenn der markierte Weg verlassen wird. Mit einer punktuellen Belastung kann bereits eine Erosion eingeleitet werden, die sich fortträgt. Es bilden sich Wasserlachen. Diesen weichen Wanderer sowie Biker natürlich aus. Es entstehen neue Trampelpfade wo das empfindliche Moor neue Risse in der Oberfläche bekommt und abermals für Erosion angreifbar wird.

Zur Region

Funka Küachli Rezept aus Montafon

Montafon

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