Bichlalm im Großarltal

Text Hannah Röther Bild Andreas Meyer
Geschichten

Zu Besuch bei Sepp Andexer

1979 bekommt die Bichlalm eine befestigte Zufahrtsstraße. 40 Jahre später eröffnet an der gegenüberliegenden Talseite der Singletrail Hochbrand. Zwei Wege, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und zusammen eine perfekte Kulisse für Mountainbike Abenteuer liefern.

 
 

Sepp Andexer hatte Glück. In einer Zeit, in der selbst viele Bauernhöfe unten im Großarltal noch nicht über asphaltierte Straßen zu erreichen waren, bekam die Alm seiner Familie früh eine befestigte Zufahrtsstraße. Früh, das ist im ländlichen Österreich das Jahr 1979. Bis zu diesem Jahr war die Bichlalm nur über einen steilen Steig zu erreichen und ein Pferd mit Lastensattel das einzige Transportmittel, um alles Lebensnotwendige zu der in 1.731 Meter Höhe gelegenen Alm zu bringen. Als Jugendlicher, erinnert sich der 64 Jährige heute, zählte dieser beschwerliche Aufstieg zu seinen Aufgaben. Genauso das Melken der Kühe von Hand, das Drehen der Butterzentrifuge, das Bewirten der damals nur selten anklopfenden Wanderer. Strom gab es keinen. Hätte der Bundesforst nicht irgendwann die bis heute bestehende Zufahrtsstraße gebaut – es wäre mit der Bichlalm wohl irgendwann vorbei gewesen. Wer würde unter solchen Bedingungen heute noch eine Alm mit Milchwirtschaft betreiben? Viele Senner haben ihr Handwerk längst aufgegeben. Andexer nicht: Bis heute hält er 24 Milchkühe, deren Milch er überwiegend direkt vor Ort verarbeitet: Topfen, Käse und Butter, die es nirgends zu kaufen gibt außer an Ort und Stelle. Wer verkosten will, was glückliche Bergkühe aus Almkräutern und frischem Quellwasser zaubern, muss sich schon selbst in Bewegung setzen und die Forststraße erklimmen – am besten natürlich mit dem Mountainbike, denn sie ist heute eine ausgeschilderte MTB-Route.

Bichlalm im Großarltal

Mit dem E Bike auf Hütten Tour im Tal der Almen.

Bichlalm im Großarltal

Almfrühstück.

Neue Wege, altes Handwerk

„Heute geht ja alles fesch elektrisch“, gibt Sepp schmunzelnd zu und meint damit nicht unsere E Mountainbikes. Wir sitzen beim Frühstück in der urgemütlichen Stube, frisch gebackenes Brot und selbst gemachte Marmelade auf unseren Tellern. Aus der Küche weht der Duft des Apfelstrudels, der gerade im Ofen eine verführerisch goldbraune Farbe annimmt. Früher, erklärt der Senner, war hier der Kuhstall. Als immer mehr Gäste kamen, wurde angebaut. Gemolken wird heute mithilfe eines Melkstandes, die Butterzentrifuge läuft auf Knopfdruck, längst ist nicht mehr alles so beschwerlich wie damals.
An Arbeit mangelt es trotzdem nicht. Um fünf Uhr klingelt der Wecker, dann wird gemolken, Butter oder Käse gemacht, danach gefrühstückt und anschließend der Stall ausgemistet. Ab Mittag stehen meistens die ersten hungrigen Gäste vor der Tür. Schließlich müssen die Wasserstellen auf den Weiden kontrolliert, das Vieh auf Verletzungen überprüft und Zäune ausgebessert werden. Nachmittags werden die Kühe für das zweite Melken in den Stall zurückgeholt, im Hochsommer dürfen sie anschließend noch einmal raus, um vor Einbruch der Nacht die kühlen Abendstunden zu genießen. All das stemmen Sepp und seine Frau gemeinsam mit einer Angestellten. Und dem 14 jährigen Lukas, der unten im Tal lebt und jeden Sommer für ein paar Wochen zum Helfen kommt. Im Großarltal gibt es noch rund 40 Betriebe, die wie Familie Andexer wirtschaften – das „Tal der Almen“ wird es deshalb genannt. Zu fast allen führen Mountainbike Routen, auf manchen Almen kann man sogar übernachten. Die Bichlalm steht wie alle anderen für echtes Handwerk, überliefert als Familientradition. Die kunstvoll angerichtete Brettljause ist eben keine Erfindung, um Touristen anzulocken, sondern authentische Tradition, hinter der viel schwere Arbeit steckt – damals wie heute.

Bichlalm im Großarltal

Der Singletrail Großarl ist mit seinem flachen Gefälle auch für Familien geeignet.

Bichlalm im Großarltal

Keine Bettenburgen. Kein Massentourismus. Stattdessen genießen wir die Abgeschiedenheit.

Singletrail Großarltal

Doch so gut der Käse auch schmeckt, irgendwann möchte man auch noch mehr unter die Stollen bekommen als nur den Schotter von Forststraßen. Deshalb gibt es im Großarltal bereits seit 2018 den Singletrail Großarltal, der ab der Mittelstation der Panoramabahn ins Tal führt. 2019 wurde der Trail bis zur Bergstation verlängert, zusammen kommen beide Trails auf zehn Kilometer Länge und knapp 1.000 Tiefenmeter. Geschaffen haben ihn Trailbau Experten aus Schladming und Wagrain. Der Singletrail Großarl ist ein klassischer Flowtrail. Mit Anliegerkurven, Bodenwellen und gemäßigtem Gefälle ist er auch für Kinder und geschickte Anfänger gut befahrbar. Hoch geht es mit der Kabinenbahn, an deren Talstation sich ein Pumptrack befindet. Hier waren sogar bereits die österreichischen Pumptrack Series zu Gast. Viel hat sich also getan in den 40 Jahren, seit Sepp seine Forststraße bekam. Und vieles ist nach wie vor beim Alten geblieben – genau die Mischung, die für eine gute Zeit auf Mountainbikes so wichtig ist.

Zur Region

Bichlalm im Großarltal

Großarltal

Gemeindestraße 6
5611 Großarl

+43 6414281
info@grossarltal.info
www.grossarltal.info

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